„Christentum so aktuell wie nie“ – ein Rückblick auf zehn Jahre „Gott im Berg“

Vor zehn Jahren machten wir uns an die nicht ganz alltägliche Idee, in Erlangens längstem Bierkeller einen Kreuzweg einzurichten. Mit Kerzen beleuchtet (dieses Feature hatten wir uns von Friedrich Engelhard vom Entlas-Keller abgeschaut), dazu schleppten wir ein paar bunte LED-Lampen mit und ein paar Klemmleuchten für die Beschreibungen der Stationen, ein paar Stunden Aufbau – und fertig.

Wir hielten uns an die klassische Kreuzwegsstruktur von der Verhaftung/Veurteilung bis zur Grablegung. Der dreimalige Sturz sollte uns in den Folgejahren noch intensiv beschäftigen: Dieselbe Szene verlangt nach drei unterschiedlichen Zugängen, Darstellungen oder Inszenierungen. Ich glaube, zehn Jahre später bin ich echter Sturz-Experte, weil wir den Grundsatz haben, jede Idee immer nur zweimal hintereinander zu verwenden. Sprich: Etwa die Hälfte der Stationen ist jedesmal gegenüber dem Vorjahr verändert.

Beim ersten Mal klebten wir ein paar Plakate in der Stadt und schrieben eine Notiz für die Tageszeitung. Es kamen 600 Leute, für einen Karfreitagsgottesdienst (nichts anderes war der Kreuzweg) schon ganz anständig. Wir haben auf religiöse Binnensprache verzichtet, nur die Bibeltexte zu den unterschiedlich gestalteten Stationen gestellt und eine minimalistische Anleitung. Über den Weg verteilt, versuchen wir alle Sinne anzusprechen. Auch das ist immer wieder eine neue Herausforderung. Aber es funktioniert so, wie ich es jüngst bei Rowan Williams über die Regeln von Poesie gelesen habe: Es entsteht ein gewisser Druck, mit den erlaubten oder erwünschten Mitteln so kreativ umzugehen, dass dabei ungewöhnliche Einfälle herauskommen, die wir andernfalls vermutlich nie gehabt hätten. 2009 nannten wir das Ganze dann „Gott im Berg“. Denn der Berg ist in Erlangen gewissermaßen ein heiliger Ort.

Dieses Jahr waren es knapp 2.200 Personen. Hier sind ein paar der rund 300 Rückmeldungen aus dem Gästebuch:

  • „Gott begegnet mir im Berg – Danke!“
  • „Sinnlich, ergreifend, und unbeschreiblich schön“
  • „Seit vielen Jahren eine liebgewonnene Art, den Karfreitag zu begehen“
  • „Mitten ins Herz; vielen Dank!“
  • „Unglaublich schön! Nicht zu übertreffen. Wunderbar und traurige Momente.“
  • „Danke für diesen besonderen Weg mit und zu Jesus“
  • „Eine beeindruckende Erfahrung und eine Reise zu sich selbst und Gott“
  • „Allmählich gewinne ich wieder mehr Vertrauen zu Gott“
  • „Man kommt leer, man geht und wird voll. Ein Erlebnis!“
  • „Sehr cool und durchaus auch spirituell.“
  • „So sollte Kirche sein: Den Bezug zur Gegenwart herstellen. Dann ist Christentum so aktuell wie nie!“

Wir sind mitgewachsen über diese 10 Jahre.  Den Andrang zu bewältigen, den das steigende Interesse im Lauf der Jahre mit sich brachte, ist einigermaßen gelungen (zwischendurch musste ich z.B. mal einem begeisterten Pfarrer ausreden, für seine Kirchengemeinde eine Busfahrt zum Berg zu organisieren). Es hat sich ein Team gefunden, das von Ideen sprüht und intensiv um gute Umsetzungen ringt. Mischa Niedermann und Arno Werner kommen jedes Jahr aus der Schweiz und rücken alles sorgsam ins rechte Licht. Dazu kommen dann noch einmal rund 50 Helfer*innen, die an Gründonnerstag und Karfreitag den Einlass regeln und im Keller auf die Ordnung achten. Das ist viel Arbeit, aber wenn man miterlebt, wie bewegt und angerührt viele Gäste den Keller verlassen, dann weiß man auch, dass es das wert war.

Die Grundsätze (Minimalistische Texte, Niederschwelligkeit, Vermeidung von frommem Kitsch, zeitgemäße Sprache und Symbole, Sinnlichkeit, Sensibilisieren ohne zu Moralisieren) sind immer noch dieselben. Es ist ein meditativer Weg – das unterscheidet Gott im Berg deutlich vom eher pädagogischen Ansatz der Ostergärten. Wir wollen nicht so sehr zeigen, was damals war, sondern erfahrbar machen, wie und wo das, was mit Jesus geschah, heute geschieht. Es gibt keine Führungen, am besten geht jede(r) allein und schweigend.

Es war und ist ein langer und guter Weg. Und wir sind noch lange nicht am Ende.

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