Apropos Beißattacken

Die Szene sieht man im Profifußball öfter: Beim Foul geht Sekundenbruchteile nach dem Opfer auch der Täter mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden und hofft, dass die Unparteiischen so nicht mehr unterscheiden können, wer hier wem in die Knochen getreten hat. Aktuell zu besichtigen in den Videos von Luis Suarez’ Beißattacke. Kein neuer Trick, aber wirkungsvoll – sofern es keine Kameras mit Superzeitlupe gibt.

In der öffentlichen Debatte passiert gelegentlich etwas ganz Ähnliches. Da geht jemand mit einem dramatischen Aufschrei zu Boden, der verdeckt, dass eben diese Person gerade ein Foul begeht. Meistens wird dabei die bedrohte Meinungsfreiheit ins Feld geführt, im Rahmen derer manche meinen, diskriminierende Äußerungen über andere in die Welt setzen zu können. Gelegentlich auch die Religionsfreiheit, so als lasse einem der eigene Glaube gar keine andere Wahl, als andere in irgendeiner Form als defizitär oder gefährlich zu denunzieren und zu kategorisieren.

Zwei Musterbeispiele für diese Verkleidung des Wolfes im Schafspelz aus letzter Zeit sind die Klage von Henryk Broder, inzwischen würden weiße alte Männer diskriminiert, und die Reaktion des (inzwischen ehemaligen) CDU-Lokalpolitikers Sven Heibel, der sich den Paragraphen 175 StGB zurück wünscht (beziehungsweise dessen Streichung einfach ignoriert), und dafür empörte Kritik erntete. Sogar aus der eigenen Partei, aber ich nehme an, der Mann wird schon irgendeine Alternative finden.

Nun werden weder Broder noch Heibel demnächst Klage einreichen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ersterer ist nicht etwa das Opfer skrupelloser Nachwuchspolitikerinnen, sondern seines Seelenverwandten Thilo Sarrazin, der ihm das einträgliche Geschäftsmodell geklaut hat und noch effektiver gegen andere stänkert. Über Political Correctness wird dann geschimpft, über Ideologie und Denkverbote, der Geruch von Verschwörungen herbeigeredet. Andere Opfer vermeintlichen Gesinnungs- und Tugendterrors stimmen bereitwillig ein in den Chor, fertig ist der Protest. Homophobie etwa versteckt sich dann hinter der (freilich absurden) Behauptung, inzwischen „müsse man sich ja schon dafür entschuldigen, dass man heterosexuell sei“.

Eine gute Orientierung darüber, wie die verschiedenen Menschenrechte (in diesem Fall: Religionsfreiheit und LSBTI-Rechte) miteinander verwoben sind, findet sich in diesem Vortrag von Prof. Heiner Bielefeldt, in dem er für eine Deeskalationsstrategie wirbt, etwa im Fall der britischen Standesbeamtin Lillian Ladele – aber auch klar macht, wo Grenzen gezogen werden müssen. Es ist tatsächlich beides nötig: Konfrontation und weise Zurückhaltung.

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