Muss die Kirche mit der Zeit gehen?

Das war die Frage, die ich diese Woche für eine evangelikale Wochenzeitschrift in 1.700 Zeichen beantworten musste. Hier habe ich mehr Platz als in der Pro und Contra Seite dort, also schreibe ich für alle, die es interessiert, eine ausführlichere Version meiner Gedanken. Und nun zum ersten Teil:

Als allererstes fiel mir natürlich der strapazierte Spruch ein „Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen.“ Aber das hört sich schon so ängstlich an, als müsse man mithalten, um nicht unterzugehen. Eher ein taktischer Zwang als eine Handlung aus Überzeugung. Das wäre zu wenig, wenn Kirche mit der Zeit ginge, nur um ihre Existenz zu sichern.

Wäre das die Motivation (hin und wieder sieht es tatsächlich danach aus), dann hätten die Kritiker ein bisschen recht, für die es keinen schlimmeren Vorwurf gibt, als dass mit dem „Zeitgeist“ unter einer Decke steckt.

Freilich schreiben praktisch alle, die solch vermeintlichen Verrat am Evangelium tadeln, ihre pikierten Leserbriefe auf Laptops, profitieren von Hochleistungsmedizin und gönnen sich hin und wieder Flugreisen – Errungenschaften, von denen die Apostel noch nichts wussten. Oder sie picken sich lnformationsschnipsel aus dem globalen Wissenschaftskosmos so raffiniert heraus, dass am Ende ihre Bibel immer Recht hat.

Wie eine Kirche aussieht, die bewusst nicht mit der Zeit geht, kann man (freilich auch nicht ganz ohne Einschränkungen) bei den Amish betrachten, die vor 300 Jahren die Uhr angehalten haben. Alle anderen aber sind schon längst mit der Zeit gegangen, es kann also in jeder ehrlichen Debatte nur noch darum gehen, wie man richtig mit der Zeit geht.

(Fortsetzung folgt)

Share