Retro-Gottesbilder

Wichtiger als die Auseinandersetzung mit dem Atheismus über die Existenz Gottes, sagt der brasilianische Theologe Renold Blank in Gott und seine Schöpfung, ist im 21. Jahrhundert die Frage, inwiefern das eigene Gottesbild im Laufe der Geschichte und unter dem Einfluss gesellschaftlicher und kultureller Umstände bedenklich einseitig geworden ist, und inwiefern selbst theologisch „richtige“ (also irgendwie aus der Bibel und der Tradition herleitbare) Formeln sich auf die konkrete Gottesbeziehung hinderlich auswirken. das Ideologische liegt in der Einseitigkeit, mit der bestimmte Aspekte betont und andere verschwiegen werden.

So wurde Gott über weite Zeitabschnitte primär gesehen: das „ganz Andere“, der nicht Erkennbare und nicht Verstehbare. Die einzig adäquate Haltung des Menschen diesem Gott gegenüber war konsequenterweise jene der Anbetung und des Lobes. Auch diese Haltung findet sich bis heute bei unzähligen Christinnen und Christen. Ja, sie wird erneut aktiviert und gefördert in den vielen neukirchlichen und pfingstlichen Religionsgemeinschaften unserer Zeit. Ihre Konsequenz ist die Problematik der Rückkehr zu einem Gottesbild, das jeder Art von Entfremdung und Abkehr von der Welt Vorschub leistet.

Eine Art Retro-Effekt, könnte man sagen, aber nicht retro und damit eben auch nicht neu genug, findet Blank:

Alle diese Gottesvorstellungen aber sind weit entfernt von jener ungeheuer neuen Perspektive, wie sie beispielsweise in prophetischen Texten sichtbar wird – oder später bei Jesus Christus. Und doch enthalten sie die [die Propheten] authentische Offenbarung darüber, wie Gott denn sei; und diese Offenbarung ist oft weit entfernt vom Gottesbild vieler Frommer.

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