(K)ein kleiner Unterschied

Als ich neulich diesen Post über das Missionsverständnis schrieb und dort andeutete, dass aus einer Reich-Gottes-Perspektive Andersdenkende und -glaubende nicht unbedingt als Gegner und Konkurrenten, sondern auch als potenzielle Partner in den Blick kommen könnten, fragte ein Kommentator sofort nach einer Abgrenzung im Blick auf den Islam.

Dieser Abgrenzungsreflex, genauer gesagt: die Selbstdefinition über die ausschließende Differenz, verstört viele suchende Menschen zutiefst. Das habe ich erst neulich wieder am Rande einer Hochzeitsfeier geschildert bekommen: Das wirkt auf sie in der Regel stur und streitsüchtig. Man muss ja nicht in allzu naive Gleichmacherei verfallen, aber wenn es ganz grundsätzlich gelänge, bei den Gemeinsamkeiten zu beginnen statt bei dem, was trennt, erschiene vielleicht auch alles andere in einem versöhnlicheren Licht. Statt auszuschließen, sagt Miroslav Volf in Von der Ausgrenzung zur Umarmung treffend, können und müssen wir differenzieren: Nicht trennen, sondern unterscheiden und verbinden.

Auf den Unterschieden lässt sich leicht herumreiten. Weniger Kraft wird häufig darauf verwandt, die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Und da, wo es geschieht, sieht man sich leider schnell dem Vorwurf des Verrats an der gemeinsamen Sache ausgesetzt. Die eigene Identität über die ausschließende Differenz zu konstruieren ist allerdings in einer globalisierten Welt und einer pluralen Gesellschaft eine Entscheidung mit potenziell katastrophalen Folgen. Das Bedürfnis danach wächst unglücklicherweise in eben dem Maß, als der in meiner Selbstdefinition ausgeschlossene Andere nicht mehr tausende Kilometer weit weg ist, sondern mir unmittelbar gegenübersteht.

Gerade als Lutheraner, finde ich, müsste man doch eigentlich ein großes Herz für Muslime, insbesondere für Türken haben: Die Historiker sind sich weitgehend einig in der Einschätzung, dass Luther und die Reformation kaum überlebt hätten, wenn die Türken Karl V. nicht so zugesetzt hätten, dass er gegen diese sächsische „Ketzerei“ nicht mit all jenen Mitteln vorgehen konnte, die ihm unter normalen Umständen zur Verfügung gestanden hätten. Der Islam gehörte also damals schon „zu Europa“.

Wagen wir doch die einschließende Differenz: Wir sind freilich unterschiedlich, und diese Unterschiede sind nicht immer leicht auszuhalten, aber es verbindet uns mehr als uns trennt: Unser Menschsein und die vielen damit verbundenen Erfahrungen, so manche Überzeugungen über Gott und die Welt, unsere Ängste, Wünsche und Sehnsüchte. Wenn wir miteinander über die Unterschiede reden, dann auf Augenhöhe. Ich muss weder alles gut finden, um den anderen annehmen zu können, noch muss ich alles abwerten, was ihn ausmacht, nur weil er nicht zu meinem Haufen gehört.

Wer über Grenzen (oder besser: Unterschiede) reden möchte, muss das Gemeinsame benennen und die Verbindung halten können. Wo das ausbleibt, ist kein fruchtbares Gespräch zu erwarten. Anders gesagt: Von einer bestimmten Praxis der Abgrenzung muss man sich ganz deutlich … unterscheiden.

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