Risiken und Nebenwirkungen der Reformation

Neulich habe ich Iain McGilchrists kritische Perspektive auf Wesen und kulturelle Wirkung der Reformation hier skizziert. Wer das interessant fand, hat vielleicht auch Spaß an dieser Vorlesung des US-Historikers Brad S. Gregory, der die Reformation indirekt und unbeabsichtigterweise für etliche Charakteristika unserer westlichen Zivilisation verantwortlich macht, allen voran den „Hyperpluralismus“ – die unvermittelte Gleichzeitigkeit widersprüchlicher Wahrheitsbehauptungen. Was unsere Gesellschaften heute de facto einzig noch verbindet, sind die Ausrichtung auf Konsum und materiellen Wohlstand. Religion ist dagegen ausgerechnet durch die gesellschaftliche Wirkung der Reformation zur Privatangelegenheit geworden, die abgelöst vom übrigen Leben persönlichen Präferenzen überlassen bleibt.

Wenn er Recht hat, dann wäre die konservative Vorstellung, der Rekurs auf die Theologie der Reformatoren, allem voran auf das Schriftprinzip, sei der Weg zur verloren gegangenen Einheit des Glaubens, eine tragische Illusion. Ob er Recht hat, darüber lässt sich streiten. Aber vorher muss man ihm erst einmal zuhören, und das ist bei der gehobenen Sprache und dem vorgelegten Tempo keine Kleinigkeit.

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