Post- oder Hypermoderne?

Das ist hier nur ein Querverweis auf interessanten Lesestoff – vielleicht komme ich später noch dazu, den Artikel zu kommentieren. Christian Piatt (mir bis dahin unbekannt) kommentiert auf Huffington Post den Kontrast von Emerging Church und christlichen Fundamentalismus á la Piper und Driscoll und die Frage, was sich auf längere Sicht durchsetzen wird.

Interessant ist dabei Platts „Definition“ der emergenten Bewegung, kurz umrissen lautet sie etwa so:

  • gelebte Gemeinschaft ist wichtiger als institutionelle Struktur
  • man nimmt sich der Menschen an statt sie „bekehren“ zu wollen
  • man integriert sich – freilich als Christen – in die Kultur der Umgebung, anstatt darauf zu warten, dass Menschen aus dieser Kultur in die Kirche kommen
  • die Imitatio Christi ist wichtiger als Bekenntnistreue
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Gott ist die Liebe

Neulich habe ich geschrieben, dass ich nicht so der Typ für „Lieschen Müller“ bin. Der folgende Text ist als Taufansprache zu 1. Joh 4,16b entstanden. Ich habe es mal so einfach wie möglich versucht. Vielleicht kann ich bei manchen Müllers mein ramponiertes Image ja etwas verbessern. 🙂

Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.

Johannes, der diesen Satz schreibt, ist ein alter Mann irgendwo in Griechenland. Jahrhunderte lang haben sich die Griechen kluge Gedanken gemacht über Gott: Wie man ihn erkennt und wie man mit ihm verbunden sein kann. Sie haben die schönsten Tempel der Welt gebaut und die besten Akademien gegründet. Wenn jemand das wissen konnte, dann dieses Volk der Dichter und Denker.

Sie haben die Natur studiert, die Lebewesen und Himmelskörper. Sie haben versucht, hinter die Oberfläche der Dinge zu blicken: Die Elemente der Welt, ihre Ordnung, und die Vernunft darin. Sie kamen auf viele verschiedene Beschreibungen, aber so einfach wie Johannes hat es niemand gesagt. Wie kommt jemand auf solche Gedanken?

Johannes war kein Grieche. Er wuchs unter Juden auf. Die hatten viel zu erzählen von den großen Dingen, die Gott getan hatte. Aber das war alles lange her. Ihr Gott liebte sein kleines Volk und strafte seine großen Feinde. Er war eifersüchtig und manchmal auch ein bisschen rabiat, würden manche heute vielleicht sagen. Am Ende hatte er die Geduld mit dem bockigen Israel verloren. Es war still um ihn geworden seither. Manche warteten noch auf seine Rückkehr, andere wollten sich lieber selbst helfen.

Dann begegnete Johannes einem Mann, für den Gott weder unberechenbar noch fern war, sondern sehr nahe und vertraut. Meistens war er bei den Armen und Kranken zu finden oder bei den Sündern – den schlechten Juden, die sich nicht richtig an die vielen Gebote hielten. Die Gerechten fanden das empörend und einen Verrat an der Sache Gottes, daher machten sie einen großen Bogen um sie. Denn nicht nur Krankheit war ansteckend, sondern auch Unreinheit und Sünde. So hatte Johannes es gelernt.

Der Mann hieß Jesus. Vom Gesetz, sagte er, muss man eigentlich nur so viel wissen und befolgen: Wir sollen Gott von ganzem Herzen lieben und unseren Nächsten wie uns selbst. Wer das tut, der kann nichts falsch machen. Er muss es nur tun. Denn Liebe ist die Kraft, die die Welt verändert.

Wie sich dann immer deutlicher herausstellte, konnte „Nächster“ dabei auch Feind bedeuten. Gewalt und Vergeltung lehnte Jesus strikt ab und machte sich damit nicht nur Freunde. Er hatte zudem jenen Juden, die sich für Gerechte hielten, immer wieder gezeigt, dass sie kein in ihrem Stolz genauso vom Weg abgekommen und in die Irre gegangen waren wie die anderen. Über seine Kritik und seine Vorliebe für die Sünder waren sie so erbost, dass sie Jesus als falschen Propheten anklagten. Die Römer machten dann kurzen Prozess. Daran erinnert uns das Zeichen des Kreuzes.

Dass Jesus die Sache mit der Liebe ernst meinte, konnte man in den letzten Minuten seines Lebens sehen, als er noch am Kreuz Gott, den er immer „Vater“ nannte, um Vergebung bat für die Menschen, die ihn verlassen hatten, die ihn verspotteten und töteten. Als er so starb, begriff sogar der hartgesottene Hauptmann des Exekutionskommandos, dass ihm hier gerade Gott selbst begegnet war.

Die Liebesgeschichte hat noch ein weiteres Kapitel. „Liebe ist stark wie der Tod“, hatte König Salomo einmal gedichtet. Tatsächlich ist sie viel stärker, aber das wusste noch niemand. Die Liebe zwischen Jesus und seinem himmlischen Vater war nicht totzukriegen. Zwei Tage später tauchte Jesus wieder auf. Ganz derselbe und gleichzeitig ganz anders. Es dauerte eine Weile, bis seine Jünger, darunter auch Johannes, verstanden hatten: Gott hatte Jesus so verwandelt wie er am Ende der Zeit die ganze kaputte Welt und uns – mal mehr und mal weniger kaputte – Menschen verwandeln will. Wie eine Raupe, aus der ein Schmetterling geworden ist: schöner und mit ganz neuen Möglichkeiten.

Und Jesus brachte noch etwas ins Spiel: Den Heiligen Geist, der allen Menschen geschenkt wird, die zu Jesus gehören. Er lässt den Funken der Liebe Gottes überspringen in menschliche Herzen und er hält das Feuer dort am Brennen, so lange wir noch unterwegs sind zu dieser neuen Welt, in der aller Hass gestorben, alle Krankheit geheilt und jede Träne getrocknet ist. Gott hat ein menschliches Gesicht – Jesus. Auf diesem Gesicht können wir wie nirgendwo sonst in der Welt ablesen, dass Gott Liebe ist.

Weil die Liebe stärker ist als der Tod, diese scheinbar unüberwindliche Naturgewalt, deswegen ist sie jetzt schon die Kraft, aus der wir leben und nach der wir uns richten können, wenn wir – und hier kommt die Taufe ins Spiel – „in Christus“ sind. Mag sein, dass uns das einiges kostet: Macht, Anerkennung, manche Vorteile. Ein bisschen Mut ist schon gefragt. Aber wir müssen auch nicht befürchten, immer nur die Dummen zu sein. Was wir aus Liebe tun, wird auch dann noch bestehen, wenn das Chaos und die Dunkelheit endgültig überwunden sind. Jedes Wort, jede Geste, jeder Umweg, alles Teilen und Vergeben ist nicht vergeblich.

Wir lernen das „Bleiben in Gott“ und das „in der Liebe bleiben“ im Laufe unseres Lebens. Wir lernen es nicht allein, sondern von anderen und mit ihnen zusammen. Ab und zu scheitern wir und fangen dann wieder neu an. Denn Gottes Verlangen, in uns zu bleiben, ist zum Glück noch größer als unser Verlangen, in ihm zu bleiben.

Dass Gott die Liebe ist, ist nicht einfach nur eine Idee oder eine abstrakte Theorie. Es ist eine wahre Geschichte mit echten Menschen in einer Welt, die alles andere als ideal ist. Und genau deshalb können wir uns darauf verlassen.

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