Immer wieder begegnet mir bei Jugendlichen, die mit Kindergottesdienst und Religionsunterricht groß geworden sind, ein eher gelangweiltes Verhältnis zur Bibel. „Kenn‘ ich doch schon alles…“, heißt es da oft. Und das stimmt auch in gewisser Weise. Sie kennen den Kanon im Kanon, der in Kinderbibeln, Kindergottesdienstmaterial und Lehrplänen tatsächlich mehrfach durchgehechelt wird.
Und weil sie an jedem dieser Denkmäler schon mehrfach vorbeichauffiert wurden, denken sie, sie haben alles gesehen. Wie Touristen, die schon die dritte Stadtrundfahrt durch London machen. In Wirklichkeit haben sie bei dieser Sightseeing-Tour nur die üblichen Postkartenmotive abgeklappert. London kennen ist dagegen eine ganz andere Sache.
Leider erscheinen die nicht gerade benutzerfreundlichen Paulusbriefe tatsächlich wie die weniger pittoresken Seitenstraßen im Vergleich zum bunten, (ver)einfach(t)en Hochglanzrepertoire des Kinderkanons. Das weckt nicht gerade die spontane Lust am Lesen. Der Umstieg auf die „richtige“ Bibel kann zwar erleichtert werden durch sprachlich aktuelle Übersetzungen („modern“ ist irgendwie kein passendes Wort dafür, finde ich). Aber es bleibt auch so noch eine Erwachsenenbibel, in deren Teig deutlich weniger Rosinen stecken als erhofft.
Der Weg ist nicht ganz leicht, vor allem beginnt er mit der Entdeckung, dass man die tatsächliche Bibel noch gar nicht richtig kennengelernt hat. Ein kleiner Ausschnitt ist zu oft traktiert worden, der Rest fiel unter den Tisch. Wenn es ganz dumm läuft, haben wir dann am Ende Menschen mit einer geringen Dosis Bibel sogar immunisiert?