Von Menschen und Göttern

erzählt die wahre Geschichte des kleinen Trappistenkonvents von Tibhirine im algerischen Atlasgebirge, dessen Brüder sich angesichts der Bedrohung durch die islamistische GIA dazu durchringen, sich weder von der korrupten Armee beschützen zu lassen noch dem Dorf, in dem sie leben, den Rücken zu kehren und wieder nach Frankreich zu gehen. In der Schlüsselszene redet ein Bruder davon, dass sie wie Vögel seien, die auf einem Baum säßen und nicht wüssten, ob die weiterfliegen. Darauf antwortet eine Dorfbewohnerin: „Wir sind die Vögel – ihr seid der Baum.“ Und die Mönche bleiben schließlich, im vollen Bewusstsein der möglichen Folgen.

Wer eine fesselnde Auslegung der Jahreslosung 2011 sucht, der wird hier fündig: Die Reaktion auf das Böse, das sich im Krieg zwischen Diktatur und Islamisten regt und alles zu vergiften  droht, ist nicht der Rückzug, sondern die Bereitschaft zum Leiden um der Liebe willen.

Es ist ein leiser Film, trotz einer mit Gewalt aufgeladenen Atmosphäre. Und es ist beeindruckend, wie diese Christen unter den Muslimen friedlich leben – sogar im Abschiedsbrief des Priors findet sich kein Wort des Hasses oder der Verachtung gegenüber dem Islam. Wie ein roter Faden ziehen sich die Gesänge der Liturgie und die Schriftlesungen durch die Handlung.

Wer es einrichten kann, sollte Von Menschen und Göttern unbedingt anschauen. Trotz des Todes von sechs der acht Brüder im Mai 1996 nach der Entführung durch die GIA, aber unter bis heute nicht völlig geklärten Umständen, ist es ein Film, der am Ende doch Mut und Hoffnung verbreitet.

Wer lieber vorher noch ein paar Kritiken liest: Hier oder hier klicken. Übrigens: Gut drei Millionen Franzosen haben den Streifen von Regisseur Xavier Beauvoir schon gesehen.

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Die unmögliche Nichterkenntnis

Frank hat zu meinem Adventspost eine spannende Frage gestellt, und ich dachte, die Antwort ist einen neuen Post wert. Hier also noch einmal die Frage:

Ist es aus christlicher Sicht denkbar, dass Gott (so es ihn gibt) dem Atheisten (dessen Vorstellung/Wunsch vom „Jenseits“ ja die Nichtexistenz ist), ebendieses erfahren lässt? Also: „Wenn jemand mich bewußt nicht erkennen will oder den Gedanken an meine Existenz ablehnt, dann erweise ich ihm trotzdem aus Liebe den Gefallen des Nichtweiterexistierens nach dem Tode.“

Die kurze Antwort darauf habe ich schon in den Kommentaren gegeben: es ist natürlich denkbar. Wobei es in meinem Text gar nicht um das Leben nach dem Tod/im „Jenseits“ ging, sondern um das Kommen Christi in diese Welt und deren Heilung und Verwandlung. Doch selbst dann stellt sich die Frage, ob man in dieser neuen Welt zuhause sein möchte oder nicht. Und wie Gott wohl reagieren würde, wenn jemand das nicht will. Ich finde, alles deutet eher in die Richtung, dass er niemanden dazu zwingen würde – Liebe drängt sich nicht auf. Am Ende, hat C.S. Lewis einmal recht lapidar gesagt, gibt es nur zwei Arten von Menschen: Solche, die zu Gott sagen: „Dein Wille geschehe“ und solche, zu denen Gott sagt: „Dein Wille geschehe.“ Das ist also die eine Seite.

Was mich aber fasziniert hat, war das Bild, das beim Nachdenken über diese Frage vor meinem inneren Auge entstand – womit ich nicht behaupten will, dass Frank das so gemeint hat –, die andere Seite dieser Frage also: Von einem Menschen, der nicht nur für den Augenblick sagt, dass er keine Anhaltspunkte für Gottes Existenz sieht (das ist ja auch oft schwer genug), sondern der diese Möglichkeit so kategorisch ablehnt, dass er – für den Fall, dass sie zur Realität wird – lieber die alte Illusion bestätigt bekommen möchte. Aber wäre es nicht tausendmal interessanter, einmal kurz über die eigene Täuschung den Kopf zu schütteln und dann staunend Gott Auge in Auge gegenüberzustehen? Gut, Gott kann einen schon erschrecken, davon weiß die Bibel einiges zu berichten. Aber dabei bleiben die biblischen und anderen Berichte ja nicht stehen. Müssten nicht alle, auch die großartigsten und bewegendsten Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben, wie ein müder Abklatsch dieser Begegnung erscheinen? Anders gefragt: Kann man so wenig neugierig sein und das größte Geheimnis überhaupt ausblenden wollen?

Meine zweite Überlegung betrifft die Haltung der Welt gegenüber: Wenn sich herausstellen sollte, dass diese Welt tatsächlich Gottes Schöpfung ist und dass Gott sein unvollendetes Werk nun zur vollen Blüte und Entfaltung bringt, kann man sich in diesem Moment von ihr abwenden? Müsste nicht gerade eine humanistische Grundhaltung dazu führen, dass man alles daran setzt, zum ersten Mal in einem intakten Ökosystem leben zu können, Teil eines rundum angstfrei funktionierenden Gemeinwesens zu sein, geliebte Menschen frei von Gebrechen und Behinderungen zu sehen? Ist es vorstellbar, dass jemand lebens-müde auf der Ziellinie seines Langstreckenlaufs kehrt macht, sich verabschiedet und einsam im Nichts versinkt, und das alles nur, weil er Gott als den Ursprung alles Guten dieser Welt nicht erträgt (und wenn ja, was bedeutet das eigentlich für das gegenwärtige Verhältnis zu Mitmenschen und Schöpfung, wenn man es konsequent zu Ende denkt)?

Drittens: Was bedeutet das im Blick das eigene Selbst? Natürlich hält jeder seinen gegenwärtigen Standpunkt für gut begründet, er ist ja die Quintessenz der gesammelten Lebenserfahrungen. Aber Menschen ändern sich, wir sind lernfähig. Und große Ereignisse haben schon viele dazu gebracht, sich zu korrigieren. Solche Korrekturen störrisch abzulehnen muss also kein Zeichen heroischer Konsequenz sein. Fehlbarkeit gehört eben zum Menschsein, deshalb regen sich ja manche über den Papst auf (der sich im Übrigen auch in den allermeisten Fällen für fehlbar hält), es erinnert eher an Margot Honecker. Wenn wir unsere erstaunliche Fähigkeit zum Selbstbetrug noch dazurechnen, wird das Bild noch etwas beunruhigender. Es kann ja ungemein befreiend sein, Illusionen aufzugeben, wenngleich es immer auch beschwerlich und schmerzhaft ist. Aber soll Gott am Ende (wann und in welcher Form auch immer es kommt) unsere Lebenslügen unangetastet lassen und einfach auf die Löschtaste drücken? Wäre damit dann nicht alles, auch das Gute und Richtige, das in jedem Menschenleben auch vorkommt, ad absurdum geführt? Und – um wieder in die Gegenwart zurückzukehren – macht man sich mit diesem Wunsch nicht schon in dem Sinne selbst zum Gott, dass man davon ausgeht, dass die Wirklichkeit um uns herum sich nach unseren Vorlieben und Vorstellungen richtet, dem Diktat unseres Dogmas beugt?

Zuletzt: Gott bewusst nicht erkennen zu wollen scheint mir logisch gesehen ein Ding der Unmöglichkeit. Genau genommen bedeutet das, ihn eben schon erkannt zu haben und nachträglich die Augen davor zu verschließen. Oder zumindest verrät die Formulierung doch so viel: Ich weiß genau, wo ich hinschauen müsste – aber ich tu’s nicht, weil ich schon ahne, was ich dann sehe. Nur – wenn ich um jeden Preis vermeiden will, Gottes ansichtig zu werden, dann werde ich auch viele andere Dinge im Leben womöglich nie sehen, weil sie ihm so nahe sind, dass sie schon etwas von seinem Licht widerspiegeln oder dass sein Schatten auf sie fällt. Ängste und Aversionen können uns blenden, aber in den seltensten Fällen unseres Alltags ist das eine gute Sache. Warum sollte es in den großen Fragen von Leben und Tod anders sein?

So gesehen haben Atheisten ja eigentlich einen Vorteil: Wenn sie sich in ihrer Weltanschauung getäuscht haben, können sie es noch herausfinden. Wenn Christen sich täuschen, wenn die Welt sich nicht ändert und mit dem physischen Tod alles aus ist, werden sie es nie erfahren. Will man aber partout bis zuletzt Recht behalten, müsste man als Atheist die Fronten wechseln.

Bis jetzt dachte ich, Atheisten sind in der Regel der Meinung, dass Christen sich Illusionen über die Welt machen, weil diese schöner und tröstlicher sind als die schnöde Wirklichkeit. Jetzt aber frage ich mich, ob es nicht einen Atheismus gibt, der die Vorstellung einer gott-losen Welt so schön und attraktiv findet, dass er sie unbedingt glauben will

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