„Missional“ und doch „normal“?

Neue Schlagwörter wie „missional“ und „emergent“ (ganz zu schweigen von „postmodern“) haben eine merkwürdige Wirkung. Die einen werden neugierig, die anderen fühlen sich ausgeschlossen. Das liegt in der Natur der Sache. Wo Neues entdeckt oder entwickelt wird, da werden notwendigerweise auch neue Begriffe geprägt. Bei technischen Innovationen sind wir das gewohnt und eignen uns Begriffe wie WLAN und UMTS an. Wenn es um Kirche und Gemeinde geht, haben viele verständlicherweise die Nase voll von den neuesten Trends und betrachten den jeweils „letzten Schrei“ erst einmal mit Argwohn.

In Gesprächen kommt dann irgendwann die Frage auf: „Ich komme aus einer ganz normalen Gemeinde. Ist das auch etwas für mich?“. Ich finde die Formulierungen schon immer aufschlussreich: Am häufigsten sagen Leute „ganz normale Landeskirche“. Ich weiß schon, was damit gemeint ist, aber mir scheint trotzdem, dass dabei zwei Aspekte untergehen, die wichtig sind: Erstens sind auch landeskirchliche Parochien sehr unterschiedlich. Das einzige, was man daran als „normal“ bezeichnen kann, ist die institutionelle Grundstruktur. Und die – das ist der zweite Punkt – ist rein zahlenmäßig betrachtet eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der globalen Christenheit, also gerade nicht „normal“, wenn man das statistisch versteht. Theologisch sowieso: Weder Kirchensteuer noch Gemeindebezirke und Beamtenrecht sind dem Neuen Testament abgeschaut.

Richtig problematisch wird dann der andere Versuch: irgendein zeitloses (in der Regel dann „biblisches“) Ideal als Norm zu formulieren – die Urgemeinde, der Jüngerkreis, die Pneumatiker in Korinth, der „fünffältige Dienst“ – das wir in Reinkultur hier wieder zu errichten hätten. Das „normale“ am Neuen Testament ist, dass jede Gemeinde ein bißchen anders aussieht. Für Theologen: Darin steckt auch die Weisheit von Minimaldefinitionen wie CA VII, dass sie nicht zuviel sagen wollen. Aber natürlich ist das keine breit entfaltete Ekklesiologie, die muss noch dazu kommen, wird sich aber in ihren Konkretionen auch ständig ändern.

Und so ist die Erkenntnis, dass keiner „normal“ ist – und damit auch keiner abnormal, also falsch – schon der erste Schritt dahin, die eigene Situation als einzigartig wahrzunehmen. Und hier sind wir mitten in der emergenten/missionalen Diskussion. Wenn es kein „Normalmodell“ mehr gibt, dem man sich einfach nur anzupassen hat, dann geht es nun um einen längeren Weg, eine kontinuierliche Suche und ein beständiges Fragen und Lernen: Was hat Gott mit der Welt vor? Was bedeutet das hier vor Ort? Welche Rolle können wir mit unseren Stärken und Grenzen darin spielen? Welche Schritte führen in diese Richtung? Wer ist noch unterwegs in diese Richtung? „Normal“ sind wir jedoch alle darin, dass wir mit einer gewissen Ratlosigkeit vor völlig neuen Fragen und Aufgaben stehen.

Einen Mann, der dieses Gespräch mit LeiterInnen und Gemeinden in vielen Ländern geführt hat und führt, haben wir für das Wochenende von 12. bis 14. März eingeladen: Alan Roxburgh. Hier geht es zum Download des Flyers. Und für alle, die gern einen Vorgeschmack hätten, hier ein Video (21:30 min) von Alan in einer Frage- und Antwortrunde, das vor einer Weile in Australien aufgenommen wurde.

Questions & Reflections on Being the Missional Church from Roxburgh Missional Network on Vimeo.

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