Doch nicht alles relativ

Im neulich schon erwähnten kleinen Aufsatzband Die Reformation. Potentiale der Freiheit hat Michael Welker einen Aufsatz mit dem Titel Sola Scriptura geschrieben, der unter anderem auch auf den Pluralismus eingeht, der ein wesentliches Merkmal der Postmoderne ist und zugleich alle möglichen Ängste auslöst. Welker beschreibt das so:

Angesichts dieser diffusen Pluralität fürchten die einen mit Recht das drohende Chaos, den Relativismus, den Verfall von Gemeinsamkeit und sozialer Konnektivität. Andere machen sich weiche und meist illusorische Vorstellungen von der unendlichen Fülle der Entfaltungsmöglichkeiten, die diese Pluralität biete. Wieder andere rufen nach autoritären Gegensteuerungen gegen dieses Chaos, oder sie setzen auf liberale Integrationsformeln, etwa: wir brauchen dieses oder jenes Minimum an Gemeinsamkeit, um aus dem Schlamassel herauszukommen. Alle diese Sichtweisen haben eins gemeinsam: Vom Pluralismus haben sie nichts kapiert.

Der Pluralismus bringt nicht einfach Bindungslosigkeit, Relativismus, Individualismus mit sich, obwohl diese Erscheinungen auch in pluralistischen Umgebungen auftreten. Der Pluralismus bildet und pflegt vielmehr multisystemische Formen, die sehr wohl hohe Bindekräfte entwickeln, aber eben nicht die gesellschaftseinheitliche, kultureinheitliche Bindekraft versprechen können.

Die Zivilgesellschaft ist für Welker ein Beispiel, wie verschiedene Gruppen und Zusammenschlüsse auf die gesellschaftlichen Systeme wie Politik, Bildung, Recht, Wirtschaft etc. Einfluss nehmen. Nur gibt es das eine Prinzip eben nicht mehr, das alles so organisiert und zusammenhält, wie der Modernismus es gerne gehabt hätte. Welker zieht von hier aus eine Linie zum Pluralismus des biblischen Kanons. In der Vielstimmigkeit der Überlieferung sieht er daher kein Problem, sondern einen Reichtum.

Share