Schwache Argumente

Heute ist das große Bayern-Thema, dass in Aschaffenburg eine 64-jährige Frau ein Kind bekommen hat. Alle reihen sich brav in den Chor der Kritiker ein. Schwach sind nur die Argumente gegen das bizarre Ereignis, finde ich: Auf B5 aktuell wurde unsere Sozialministerin Stewens eben mit den Worten zitiert, die Natur habe sich “etwas dabei gedacht”, dass man in dem Alter keine Kinder mehr bekäme.

Aber die Natur denkt ja nicht. Sie ist keine Person, sondern eine Abstraktion oder bestenfalls ein Holon. Deswegen ist es ja so schwer, aus den Vorgängen der Natur ethische Normen abzuleiten. Man könnte ja auch sagen, die Natur hat sich etwas dabei gedacht, dass es nachts dunkel ist. Also bleibt das künstliche Licht aus.

Etwas anderes wäre es, hier mit einem persönlichen Gott zu argumentieren. Der kann sich tatsächlich etwas gedacht haben. Nur muss man auch hier gut überlegen, wie man argumentiert und woher man meint, die Gedanken des Schöpfers zu kennen (als die ersten Autos kamen, hieß es ja auch hier und da, Menschen seien für solche Geschwindigkeiten nicht geschaffen). Besser sind fast immer die sozialen Argumente: Das Kind startet mit einer gewissen Hypothek ins Leben.

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Emergent-Nachlese (3): Brian McLaren

Knapp fünf Tage mit Brian McLaren liegen hinter mir. Heute morgen flog er recht fröhlich vom Emergent Forum wieder nach Hause. Er ist ein freundlicher, ruhiger und unkomplizierter Mensch und ein aufmerksamer Zuhörer – bei Vielrednern ja nicht so häufig, die pflegen doch eher einen dominanten Gesprächsstil.

Wenn Brian spricht, hat er aber wirklich etwas zu sagen. Die bescheidene Art verdeckt das manchmal, und er versucht auch gar nicht, Leute intellektuell zu beeindrucken. Nur ab und zu blitzt auf, was er alles gelesen hat und mit wem er im Gespräch ist. Er hat ein sehr weites Herz für die Ungeduldigen und die Querdenker – auch das gefällt mir an ihm. Selbst über die bösartigsten Kritiker spricht er mit augenzwinkerndem Respekt.

Auf den Studientagen drückte er sich manchmal sehr vorsichtig aus (im kleinen Kreis ist das deutlich pointierter, was er sagt), aber immer wieder ist es Brian trotzdem gelungen, aussagekräftige Bilder zu finden: Die Brücke neben dem Fluss, die emergenten Jahresringe am Baum (als Rinde habe ich mich noch nie betrachtet), der Gorilla beim Basketballspiel, der Zirkel der emerging conversation und vieles mehr.

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Nachtrag: In den USA fragt man inzwischen schon, welchen Einfluss die emerging church auf die Wahlen im kommenden Jahr hat. Bei den jungen Evangelikalen haben die Republikaner nur noch einen Anteil von 40%, rechnet dieser Bericht auf NBC aus.

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Emergent-Nachlese (2): Facebook

Daniel Ehniss hat am schnellsten gehandelt und eine Emergent Deutschland Gruppe bei Facebook eingerichtet. Toby Faix würde jetzt bestimmt sagen: “Find‘ ich gut!” 😉

Nachdem es ja keinen Verein mit formaler Zugehörigkeit gibt und fast alle Teilnehmer des Forums wie auch terminlich und gesundheitlich verhinderte Sympathisanten online sind, kommt das am Nächsten hin an eine Mitgliedschaft.

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Emergent-Nachlese (1): Der angebissene Apfel

Der hohe Mac-Anteil bei ermergenten Happenings ist verschiedentlich schon aufgefallen. Apples “Think different” ist sicher ein gutes Motto: Hier tummeln sich Early Adopters, der creative fringe, und was einem sonst noch an soziologischen Klassifizierungen einfallen mag.

Mich hat der angebissene Apfel aber auch daran erinnert, dass die Postmoderne ein starkes Gefühl für verlorene Unschuld entwickelt hat. Was die Politik angeht, ist das in Europa vielleicht stärker als in den USA: das Misstrauen gegen unsere Lösungen für die Probleme anderer – vor allem, wenn man das mit Gewalt durchsetzen muss.

Beim Betrachten des NS-Dokuzentrums mit unseren Gästen fiel aber auch auf, wie unsere Sprache und Medien im Zuge der NS-Propaganda ihre Unschuld verloren. Die Slogans der Werbung heute haben es auch nicht leichter gemacht, die wieder zurück zu bekommen, also leben wir seither mit einer Hermeneutik des Verdachts. Das Vietnam-Trauma hat nicht ausgereicht, um die amerikanische Zuversicht, in der Welt gehe es um “Gut gegen Böse und am Ende gewinnen wir” (so sagte das einst Bruce Willis) zu zertrümmern. Und die christliche Variante dieser Weltsicht gibt es leider auch nicht nur in den Staaten.

In der Kommunikationsgesellschaft ist alles schon irgendwo einmal gesagt worden. Wir reden also ständig in Zitaten. Umberto Eco hat darauf hingewiesen, dass der Verlust der Unschuld nur durch Ironie wett gemacht werden kann. Ein Mann möchte einer Frau sagen, dass er sie wahnsinnig liebt. Damit das nicht als abgedroschene Phrase erscheint, sagt er aber: Barbara Cartland würde sagen “Ich liebe dich wahnsinnig”. Wenn die Frau diesen Satz versteht, ist die Liebeserklärung angekommen, aber ohne plump vordergründig zu sein.

An dieser Stelle setzt auch Pete Rollins‘ How (Not) to Speak of God an: Nicht nur ist alles schon gesagt über Gott im Guten wie im Schlechten, sondern unsere Begriffe werden ihm gar nicht gerecht. In dem Augenblick, wo wir Definitionen versuchen, berauben wir Gott seiner Freiheit und schaffen einen Götzen (hier liegt der tiefere Sinn des Bilderverbotes). Weil wir aber nicht aufhören können, von Gott zu reden, muss auch das mit einer gewissen Ironie gegenüber uns selbst geschehen, einem Bewusstsein unserer unzureichenden Möglichkeiten und einem Misstrauen angesichts unserer gemischten Motive und theologischen Machtspielchen.

An all das erinnert der angebissene Apfel mich jeden Tag…

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