„Zum Materazzi werden“

Heute morgen habe ich eine Predigt über Feindesliebe gehört. Zwei Szenen standen mir dabei sofort vor Augen: Erstens die Lage im Libanon, wo die Hisbollah es mit asymmetrischer Kriegsführung geschafft hat, Israel dazu zu bringen, sich durch seine überharte Gegenwehr selbst ins Unrecht zu setzen. Das ist dann wieder Wasser auf die Mühlen des Iran und der von dort unterstützten Terroristen.

Das andere Bild: Zidane und Materazzi – letzterer ist inzwischen in der Öffentlichkeit zum archetypischen Fiesling geworden (vielleicht ist er privat ja doch ein netter Typ?). Hätte Zidane mit Kuß statt Kopfstoß geantwortet (man hätte auf dem Video später auch noch Materazzis Lippen lesen und disziplinarisch ahnden können), wäre er als ganz großer Held gegangen. So wurde er selbst ein Stück weit zum „Materazzi“.

Wenn mich also jemand dumm anmacht, habe ich die Wahl, mich von ihm in meiner Reaktion bestimmen zu lassen (indem ich hinterher sage, ich hätte im Grunde keine Wahl gehabt, wie die Israelis, wie Zidane…). Oder ich sehe, wie ich die Spirale anhalte, indem ich mir meine Antwort nicht diktieren lasse. Natürlich darf ich dabei Unrecht beim Namen nennen, das mir angetan wird. Nur eben Hass und Gewalt und unfaire Mittel sind tabu. Verachtung übrigens auch (etwa das naserümpfende “nicht mein Niveau…”). Den Feind lieben bedeutet trotzdem nicht, alle Selbstachtung in den Wind zu schlagen und ihm alles durchgehen zu lassen.

Im Gegenteil. Und nun, wo ich das schreibe, fällt mir gerade eine Situation ein von letzter Woche. Also, mal überlegen…

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Eschatoklesiologie ;-)

Seit meiner kleinen Zusammenstellung von Moltmann-Zitaten neulich habe ich mich weiter mit der Frage beschäftigt, ob die eigentliche Verschiebung in der Diskussion um emerging church nicht so sehr in der Christologie oder Ekklesiologie (Lehre von der Kirche), sondern in der Eschatologie (die “letzten Dinge”) zu suchen ist. Dafür spricht meiner Meinung nach folgendes:

  • Wir sprechen hier von Zukunftsfragen. Also spielt nicht nur die kurzfristige Erwartung eine Rolle, sondern genauso unsere Vorstellung davon, auf was Gott im Großen und Ganzen eigentlich hinaus will.
  • Ekklesiologie hat (und das hat Moltmann schön herausgearbeitet) immer einen eschatologischen Horizont. Reichs- und Mehrheitskirchen neigen dazu, Erwartungen auf ein noch ausstehendes Kommen und Wirken Gottes zu unterdrücken, während Minderheits- und Märtyrerkirchen genau das herbeisehnen und darum beten.
  • Die entscheidende Verschiebung zwischen Moderne und Postmoderne liegt in der Eschatologie: Die Moderne ging vom weltimmanenten Fortschrittsprinzip aus, das erstens einen stetigen, linearen Aufstieg annahm und sich selbst als das angebrochene goldenen Zeitalter der Menschheit begriff, während die Denker der Postmoderne entdeckt haben, dass aller “Fortschritt” ambivalent ist und nur der vom goldenen Zeitalter reden kann, der auf der Sonnenseite unserer globalen Wirtschaftssysteme lebt. (N.B.: Emergenztheorien kann man als Versuch verstehen, monokausales lineares Fortschrittsdenken zu öffnen und zu überwinden, ohne es nur abzulehnen und damit in totaler Ziellosigkeit zu enden).

Die Frage, wie sich Christen zur “Welt” im umfassenden (und nicht zwangsweise negativen) Sinn verhalten, ist eine Frage der Eschatologie. Wer davon ausgeht, dass das Reich Gottes in einem bestimmten System (christlicher Kaiser, Staat der Pilgerväter, aufgeklärte Demokratie etc.) im Grunde schon angebrochen ist, tut sich schwer mit Kritik an den sozialen Verhältnissen und wird die Kirche als Instrument des Staates verstehen, die sich im günstigsten Fall in eine ideale Gesellschaft hinein auflöst.

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Und wenn du denkst, es geht nicht mehr…

kommt von irgendwo ein Tröpfchen Testosteron her. Zu früh gefreut, die A-Probe von Herrn Landis war positiv. Wenn sich das bestätigt, dann hätte es kaum schlimmer kommen können für den Radsport. Pereiro als Sieger und Klöden (wenn sie denn sauber waren, nehmen wir das mal an) als Zweiter werden sich nicht freuen können, überhaupt wäre alles renntaktisch anders gelaufen.

Gestern stand in Bild “Spinnt Ullrich?”. Heute muss man fragen, was denn in Landis gefahren ist, so dreist zu agieren? Hat sich da jemand in der Dosis vertan, dass es herauskam? Vielleicht hätte man Phonak doch die Lizenz entziehen sollen. So lange Mogeleien im Spitzensport wie Kavaliersdelikte behandelt werden (obwohl es um gewaltige Summen geht – schönen Gruß an Tante Juve), werden wir wohl immer wieder von solchen Enthüllungen erschüttert

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Das “Gebetswunder”

Wir hatten immer das Gefühl, dass Beten nicht die große Stärke unserer Gemeinde ist. Als ein kleines Team sich für eine Woche 24-7 Gebet stark machte, waren meine Erwartungen nicht sehr groß. Und nun füllen sich die Stunden spielend, Halbzeit ist längst vorbei und – noch wichtiger! – alle, die ich bisher gesprochen habe, haben es als sehr gut empfunden. Heute spät abends bin ich selbst wieder dran. Leere “Slots” gibt es erst wieder übermorgen.

Nun kann man sagen, dass es nachts im Sommer sicher leichter ist als im Winter, dass so kurz vor den Ferien Leute vielleicht mehr Zeit haben, aber das hieße schon wieder, das Erfreuliche zu klein zu reden. Also versuche ich es mal anders herum: Es war offenbar Gottes Führung im Spiel, und die gelungene Gestaltung des Raumes (Danke, Martina und Florian!) hat ihr übriges getan und viele zusätzlich inspiriert. Man bekommt Anregungen und bleibt doch frei in der Art, wie und wofür man betet. Auf einmal hat alles eine Leichtigkeit, ohne dass es auf Kosten der Tiefe geht.

Ich bin eines Besseren belehrt worden und lehne mich wohl kaum zu weit aus dem Fenster, wenn ich jetzt mal vermute, dass das ein Anfang war und wir das irgendwann wiederholen. Hoffentlich nicht erst im nächsten Sommer…

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Eine Wolke

Ich habe schon lange nicht mehr so fasziniert (und erwartungsvoll) das Regenradar verfolgt wie heute nachmittag…

Eine Wolke, klein wie eine Menschenhand, steigt aus dem Meer herauf. Darauf sagte Elija: Geh hinauf und sag zu Ahab: Spanne an und fahr hinab, damit der Regen dich nicht aufhält. Es dauerte nicht lange, da verfinsterte sich der Himmel durch Sturm und Wolken und es fiel ein starker Regen.

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Sand in der Kurve…

… und eine ausgeleierte Federgabel am Rad (hätte ich längst ersetzen sollen, ich war gewarnt) haben mich gestern abend auf dem Heimweg vom Bad recht unsanft zu Boden gehen lassen. Schmerzhafte Zerrungen in der Wade, im Unterarm, und ein paar der leichten Bekleidung geschuldete Abschürfungen sorgen nun für eine zeitweise Unterbrechung der Badesaison.

Wenigstens die Rübe hat nichts abbekommen. Martina meint, ich sollte mir mal einen Helm leisten, bei meinem Tempo. Muss mich noch gewöhnen an den Gedanken. Ich fühle mich eh wie ein Halbinvalide: Am Freitag gehe ich das erste Mal in meinem Leben zum Augenarzt. Könnte gut sein, dass ich es mit einer Lesebrille zu tun bekomme.

Bevor es jemand von Euch als Kommentar schreibt: Ja, es sieht so aus, als wäre Eitelkeit meine “Baustelle”.

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Transzendente Pandemie?

Im Kulturteil der Süddeutschen Zeitung beschwert sich Sonja Zekri darüber, dass man als “Gottloser” in der Minderheit sei und angesichts der neu in Mode geratenen Religiosität unter Anpassungsdruck gerate. Die bedrohliche Kulisse rührt natürlich auch daher, dass sie alles Religiöse undifferenziert in einen Topf wirft. So entsteht eine Front aus Esoterikern, Fundamentalisten und Traditionskirchen, dem ein Häuflein aufrechter und aufgeklärter Selberdenker gegenüber steht.

Spätestens seit der Massenverzückung beim letzten Papstwechsel fühlt man sich deshalb als Atheist wie auf einer Eisscholle im Golfstrom.

Allerdings verfällt sie, bei aller berechtigten Kritik an neokonservativer Instrumentalisierung von Religion und esoterischem Rückzug aus einer komplexen Welt, mit ihrem Aufschrei in dieselbe quasi-apokalyptische Rhetorik wie die “Gegner” (so muss man es wohl doch nennen):

Der Kampf der Kulturen wogt längst nicht mehr zwischen Islam und Christenheit, sondern zwischen Frommen und Ungläubigen. Die Fundamentalisten beider Seiten verstehen sich nämlich blind.

Also doch eine Art “Reich des Bösen” und eine unheilige Allianz der Eiferer? Das Argument, die Religion habe die Welt nicht besser gemacht, ist nicht neu und trifft Aufklärung und Naturwissenschaft genauso.

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Mal ehrlich…

David Schnarch legt auf eine gute Art und Weise das Dilemma (christlicher?) Appelle zur sexuellen Enthaltsamkeit vor der Ehe bloß. Wenn davon die Rede ist, dass man die “Schönheit der Sexualität für die Ehe aufheben” (und nicht mit dem/der Falschen ruinieren) soll, macht man immer noch den Fehler, die Schönheit am falschen Ort zu suchen:

there’s no beauty in Sex – the beauty is in people. You can’t save the beauty in sex, you have to put it in. We all develop inner beauty to varying degrees. Sex becomes beautiful when we bring our personal beauty to it.

Man stellt sich argumentativ ein Bein, wenn man zu sehr “technisch” denkt, auf Trieb und Hormone fixiert ist und dabei das Jugendalter fälschlich verklärt, weil der Körper da biologisch im Zenit steht:

… We give kids a double message: we’d like you to delay first intercourse, but we think it’s impossible and you’ll be giving up the best sex you’ll ever have.

Um zu überzeugen, braucht man ein besseres, tieferes Verständnis von Sex und eine satte Portion Ehrlichkeit dazu:

If you want credibility, tell them the truth: adolescents are not potentially missing the best sexual years of their life because they haven’t started yet.
Few parents tell their kids, “Your father (mother) and I have been having sex for twenty years – and we’re just starting to get it right. Pay your dues.”

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Dahingeschmolzen

Kerzen haben bei diesen Temperaturen nur im Schatten eine Chance. Diese haben wir auf der Dachterasse vergessen. Noch schlimmer erging es ihrer wesentlich schlankeren Vorgängerin, die sich in eine Pfütze auflöste. Wenigstens ist jetzt unser Tisch frisch eingelassen.

Dscf1046

Was lässt mich noch dahin schmelzen? Wie wär’s mit diesem Augenaufschlag…

Dscf1041

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Umfrage: Liturgische Innovation

Ben Myers hat eine Umfrage zur schlechtesten liturgischen Innovation der letzten Jahre gestartet. Momentan liegen kleine Becherchen für eucharistischen Traubensaft in Führung. Wer will, kann auf einer Weltkarte auch noch die geografische Verteilung der Stimmen verfolgen. Mal sehen, ob Ihr mich findet…

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Die Tür

Die Tür
ist zu.
Ich habe sie
ins Schloss geworfen,
verletzt, traurig.
Manche Dinge
kann man nicht
offen lassen.

Die Tür
ist zu.
Anlehnen wäre
mir lieber gewesen
als Dunkelheit, Stille.
Nicht nur Kinder
fürchten das
alleine Sein.

Die Tür
ist zu.
Ich habe mich
ausgesperrt,
rastlos, unschlüssig.
Wer schließt
den Abgrund
im Herzen?

Die Tür
ist zu.
Ich kann noch
nicht weiter
– benommen, erlahmt.
Sterben
ist wie
diese Tür.

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Keine Frage der Theologie?

Angesichts der Konflikte im Nahen Osten herrscht wieder reger e-mail Verkehr, der recht unterschiedliche Dinge anschwemmt. Heute las ich in einer email folgenden Satz:

Theology isn’t the issue. WE have the pure and simple word of the Lord speaking of…

Dann wird auf eine Prophetie aus dem Alten Testament verwiesen, deren Erfüllung noch ausstehe. Hallo? Keine Frage der Theologie? Nichts ist weiter entfernt von der Wahrheit! Hier dreht sich alles um Theologie: Wie verstehe ich die Schrift? Wie interpretiere ich alttestamentliche Verheißungen im Licht neutestamentlicher Grundaussagen, ganz besonders wenn es sich um das nationale bzw. staatliche Schicksal Israels handelt? Wie stelle ich mir Gottes Wirken in der Geschichte vor und auf welches Ziel läuft es hinaus? Welche Mittel der Auseinandersetzung sind in den aktuellen Konflikten eigentlich legitim?

Aber der Satz ist auch in anderer Hinsicht verräterisch. Das groß geschriebene “WE” sagt überdeutlich: “Hier geht es nicht um Theologie, die UNSERE Meinung und Theologie in Frage stellen würde.” Daher haben wir auch das “reine und einfache (!) Wort Gottes”… Jetzt, wo sogar George W. Bush allmählich lernt, dass nichts so einfach (und wenig so rein) ist, wie er lange dachte, sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, dass ihm noch ein paar Freaks nacheifern.

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Tour 2006: Mensch(en), wie spannend!

Gestern totgesagt, heute auferstanden: Floyd Landis bei der Tour de France. Seit die gedopten Stars weg sind, wird der Radsport wieder aufregend. Es treten keine Maschinen an, sondern wirkliche Menschen, die am einen Tag unerklärlich schwach und am nächsten unglaublich stark sein können. Gibt es ein besseres Argument für sauberen Sport?

Ganz nebenbei: Gott findet auch nichts interessanter und spannender als wirkliche Menschen mit ihren Höhen und Tiefen. Gut, sich mal wieder dran zu erinnern.

Und noch eins: Vielleicht sollte T-Mobile Landis verpflichten – dann wäre er „Pink Floyd“ 😉

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